Ich gehe oft daran vorbei, ohne stehen zu bleiben. Ein kleiner Sprung im Beton, unscheinbar, grau wie alles ringsum. Und doch ist er da. Offen. Sichtbar. Als hätte der Boden, der sonst alles trägt, für einen Moment nachgegeben. Als wäre dort etwas gewesen, das zu viel war.
Manche nennen es Schaden. Ich nenne es Wahrheit. Denn dieser Riss spricht nicht von Kaputtheit, sondern von etwas, das sich nicht mehr verbergen lässt. Vielleicht war es der Frost. Vielleicht war es Zeit. Vielleicht war es Druck. Vielleicht einfach das Leben.
Ich bleibe stehen. Nicht, weil ich etwas reparieren will. Sondern weil ich etwas erkenne. Dieser Riss ist nicht das Ende von etwas Festem. Er ist das Sichtbarwerden einer Spannung, die schon lange in der Tiefe lag. Und plötzlich frage ich mich: Wo in mir zeigen sich solche Linien? Wo wird etwas sichtbar, das zu lange gehalten wurde?
Der Gehweg ist nicht weniger begehbar, weil er eine Spur trägt. Er ist echter. Und vielleicht geht es auch mir so. Vielleicht gehören diese Risse zu mir wie das, was ich für heil hielt. Vielleicht bin ich gerade dort am wahrhaftigsten, wo etwas nicht mehr glatt ist, sondern offen.
Nicht alles, was bricht, geht kaputt. Manches wird nur sichtbar.
